Jedes Jahr am 15. März denke ich an mein Korea-Semester. An diesem Tag im Jahr 2002 flog ich von Südkorea nach Deutschland zurück, ohne zu wissen, ob ich jemals zurück kehren würde. Im Gepäck hatte ich letztlich nur das, was ich damals gelernt hatte: Die Techniken und das Wissen bis zum ersten Dan im Taekkyon.
Ich erinnere mich genau, wie ich im Bus zum Flughafen Incheon heulte wie ein Schlosshund. Ich kann bis heute nicht genau sagen, warum, aber mir liefen die Tränen in Strömen über die Wangen. Vielleicht war es einfach der Abschiedsschmerz von all dem, was ich in Yongin in der Nähe von Seoul kennen gelernt hatte. Vielleicht war es die Angst vor der Zukunft? Schließlich hatte ich in Deutschland niemanden, mit dem ich Taekkyon trainieren konnte. Selbst in ganz Europa kannte ich niemanden, denn mein erster Taekkyon-Lehrer Jun Samuel Kyung-hoon war nach Korea zurück gekehrt. Vielleicht war es aber auch die Erleichterung, endlich nach Hause zu können, denn die vergangenen sechs Monate waren nicht immer leicht für mich.
Es ist alles gut ausgegangen, sehr gut sogar. Ich flog genau ein Jahr später erneut nach Korea, diesmal nur für zwei Monate. Innerhalb dieses einen Jahres hatte ich viele nette und fleißige Schüler gefunden, die an der FH Jülich mit mir trainierten.
Dann zog ich nach Frankfurt, um meine Diplomarbeit als Ingenieur zu schreiben. Von dort ging es Ende 2004 nach Hamburg, wo ich erneut eine Taekkyongruppe aufbaute. Hier merkte ich, wie schwierig es ist, Schüler in einer solchen Metropole zu finden – guten Unterricht zu geben alleine reicht nicht, man muss ständig Werbung machen, Internetseiten gestalten und, und, und… Vor allem, wenn man eine Kampfkunst unterrichtet, die kaum bekannt ist und nach der niemand sucht, hat man es nicht gerade leicht.
Letztes Jahr dann machte ich den zweiten Dan in Paris, neun Jahre nach der ersten Danprüfung. In Paris gründeten Jean-Sébastien Bressy und Guillaume Pinot im Jahr 2010 ebenfalls eine Taekkyon-Schule und da die beiden lange Zeit in Korea lebten und trainierten, haben sie den vierten Dan. Unterstützt werden sie von Kim Giyong, der den dritten Dan hat.
Schließlich war ich letzten September für zwei Wochen wieder in Korea. Ich traf meinen Lehrer Jang Kyeong-tae wieder, ich traf Großmeister Lee Yong-bok, Do Ki-hyun und viele andere fantastische Taekkyon-Lehrer. Es war dermaßen inspirierend, dass ich beschloss, ein Buch über Taekkyon zu schreiben. Es ist bereits halb fertig und ich rechne damit, dass es Anfang 2013 publiziert werden kann.
Unglaublich, wie die Zeit vergeht. Meine Abreise aus Korea vor zehn Jahren kommt mir vor, als wäre sie gestern gewesen. Ich werde diese intensive Zeit nie vergessen, jede Sekunde hat sich in mein Gehirn regelrecht eingebrannt. Über ein Semester fünf mal pro Woche mit einigen der besten Taekkyon-Kämpfern der Welt zu trainieren, das werde ich wohl nie wieder erleben dürfen. Dafür bin ich unendlich dankbar.
Danke an meine Lehrer und Trainingspartner. Professor Jang Kyeongtae, Jang In-jae, Woo Sang-kyu, An Jae-sik sowie Min-hi und Rae-hwa. Ich hoffe, der dritte Dan lässt nicht weitere neun Jahre auf sich warten.
Hendrik Rubbeling
#1 by Steffi on 13/04/2012 - 16:47
Schöner Text
Ich habe einen ähnlichen Gedenktag: Ich bin letztes Jahr am 10. März nach Korea zurückgekehrt – und so verdammt froh, dass endlich mein Visum verlängert wurde… Übrigens erinnere ich mich an meine Erlebnisse in Korea auch viel intensiver als an das Leben in Deutschland, obwohl ich in Korea nun auch schon 1,3 Jahre vebracht habe.